Sonntag, 24. Juli 2016

Vorschau: Building New Aarau

Das Internationale Vermessungsjahr auf Noseland geht zu Ende, doch ein neues Thema wartet schon auf die Künstler: 

Building New Aarau

Ein Projekt zum Thema äussere und innere Migration im Rahmen zweier Utopien mit historischen Bezügen.

Historischer Hintergrund
Andreas Dietsch, ein aus Deutschland kommender Bürstenmacher, Agitator, Schriftsteller und Frühsozialist, wohnte vor über 171 Jahren im gleichen Haus an der Pelzgasse in Aarau, wo ich selber seit 2007 lebe und 2008/2009 das Projekt Noseland ausarbeitete.
 
Andreas Dietsch in Wikipedia (Quelle Bildschirmfoto)
Ohne von Dietsch zu wissen, schuf ich hier die theoretischen Grundlagen der Mikronation Noseland mit sehr ähnlichen Utopien, wie sie Andreas Dietsch anfangs 1840er-Jahre unter anderem in der Schrift Das Tausendjährige Reich niederschrieb. Die Noseländische Verfassung unterscheidet sich wesentlich nur betreffs der Religion, welche in Noseland nicht öffentlich gelebt wird, bei Dietsch aber eine zentrale Rolle spielte.

Vor 3 Jahren stolperte ich erstmals über Andreas Dietsch, weil der Hausbesitzer Andreas Haller alias Wenzel eine Gedenktafel zu Ehren Dietschs in Auftrag gegeben hatte. Schnell erkannte ich die Parallelen zwischen seiner äusseren Emigration nach dem verheissenen Land Amerika und der inneren Immigration Noselands, welches sich nach innen aus dem grossen Komplex Schweiz herauslöste. Dietsch verliess die Schweiz wegen oekonomischen Problemen, die durch die Industrialisierung dem Handwerk den existenziellen Boden entzogen, Noseland verliess die Schweiz unter anderem wegen der Enttäuschungen, die der Kapitalismus im Zuge seines Sieges über den Kommunismus Ende Achtziger in der Folge in Form der grenzen- und hemmungslosen Globalisierung in die Welt setzte.

Andreas Dietsch hat seine Reise und die Aufbauversuche ‚New Aaraus’ –der künftigen Hauptstadt Neu Helvetias- in Tagebuchform gründlich dokumentiert, erschienen 1978 im Limmat Verlag: Die grossartige Auswanderung des Andreas Dietsch und seiner Gesellschaft nach Amerika.
Ein wichtiges Attribut Noselands ist die multimediale Dokumentation im Netz, welche den winzigen Flecken Wiese mit der ganzen Erde kommunizieren lässt.

Dietschs Schicksal war es, dass er schon im ersten Winter, Ende Januar 1845, verstarb und das frühsozialistische Projekt in der Folge scheiterte, die zwei einzigen gebauten Häuser wurden verlassen und verfielen. Vom geplanten Tausendjährigen Reich blieben eine rostige Schere, einige Gräber, ein Apfelbaum und einige Rebstöcke.
Noseland feiert am 1. April 2016 sein siebenjähriges Bestehen, wird aber irgendwann mit dem Tod König Brunos des Ersten und Letzten wieder verschwinden und als leere Wiese in der Zukunft verhallen.

Künstlerische Umsetzung
Der Kunst und Noseland unterliegt es nun, die Vision Andreas Dietsch noch einmal –temporär- auferstehen zu lassen: Rund um das Thema Building New Aarau entstehen tonale Werke, Licht-Landart, Thematische Gruppenausstellung und Performance Art.

Die Grundfragen lauten: Wie soll New Aarau aussehen? Was braucht eine neue Stadt? Welche Funktionalitäten soll New Aarau erhalten? Welche städtebaulichen Dimensionen dienen dem Sozialleben der Stadt? Welche Kultureinrichtungen sind von Nöten? Was unterscheidet eine Stadt von damals von der Stadt von heute? Inwiefern soll New Aarau besser sein als Aarau? Welche Konsequenzen hat es, eine Stadt von Grund auf neu zu bauen, im Vergleich dazu, wenn sie einfach wächst? Welche Utopie verwirklicht New Aarau?

Die Künstler sollen sich grundlegend an der Noseländischen Verfassung und der Schrift Das Tausendjährige Reich orientieren. Kurzfristige Ausnahmen für temporäre Bauten im Zusammenhang mit Building New Aarau werden im kuratorischen Gespräch ermittelt.

Nebst der immer wichtiger werdenden Funktion Noselands als Residence, als Arbeitsort, als Atelier, als Künstler-Melting-Point stehen öffentliche Anlässe (Galerie-Konzert, Podium, Ausstellungen) und vor allem die mediale Dokumentation (Blog) im Internet im Vordergrund, welcher tausende von Menschen erreicht.

Konzept und Kuration: Bruno Schlatter

Das Projekt wird in sieben Phasen umgesetzt:
1) 13. - 20. Novmeber City Light: Landart mit Vittorio Misticoni (Sursee) (Kuration durch Bruno Schlatter)
2) 04. Dezember 2015 - 08. Januar 2017 Internationale Ausstellung Building New Aarau mit  internationalen Künstlern
3) Frühling 2015: The historical Utopia mit Cho Linska (Zürich) & Bruno Schlatter
4) Podium: Stadtutopie & Energie mit Niklaus Walther
5) Blog: Building New Aarau von Bruno Schlatter
6) Performancefestival in Zusammenarbeit mit FWD>>
7) The sound of Nature and New Aarau mit Piotr Damasiewicz & Wojtek Kielar (Polen), Marco Käppeli & Bruno Schlatter (Schweiz)




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